Regula Michell schreibt anlässlich von «Resonanz in Sprache» über die Performance «3 Frauen im See» von Ursi Wirth mit Gabi Glinz und Esther Maria Häusler, welche 1989 im Bad Utoquai Zürich aufgeführt wurde.
1989 im Suchfeld der Sammlung Performance Kunst Schweiz eingetippt. Eine Schwarzweissfotografie einer Performance von Ursi Wirth mit Gabi Glinz und Esther Maria Häusler weckt meine Neugier. Sie zeigt drei auf dem Bauch liegende Frauen am Rand eines Holzflosses im See.
Die Köpfe und Brüste haben die drei Grazien stolz erhoben. Zwei von ihnen scheinen in die Ferne zu blicken am dokumentierenden Fotografen vorbei. Die dritte, ganz rechts, schaut mit geneigtem Kopf ins Wasser. Die beiden Frauen am Rand formen mit ihren Armen Gesten über dem Wasser. Die mittlere stützt ihren Kopf auf beide Hände.
Die stolze und konzentrierte Haltung der drei Frauen spricht mich an und macht mich neugierig. Das Blaugrün des Zürichsees erscheint nur in meinem Kopf, die Bilder sind schwarzweiss. Seegeruch und der Duft von nassem warmem Holz, Erinnerungen an den Sommer. Die Haare der drei Frauen sind nass, sie müssen bereits im Wasser gewesen sein.
Was passiert weiter? Ich kenne diese Performance nicht. Von wo aus hätte ich diese Performance angesehen? War sie für anwesende Zuschauerinnen oder nur für die Dokumentation? In jedem Fall wäre mein Blickwickel ein anderer gewesen als der, der mir hier im Katalog Performance Kunst Schweiz präsentiert wird.
Auf dem nächsten Bild stemmt sich eine der Frauen über die Leiter auf das leere Floss. Sie ist allein. Bleibt sie für längere Zeit oder nur für einen kurzen Moment. Auf Fotos gebannte Performances sind eigen-artig. Eingefroren, im Sommer. Es wiegt mich sanft hin und her, in Gedanken. Wo sind die beiden anderen?
Jetzt sitzen zwei mit dem Rücken zum Fotografen am Rand des Flosses. Gegenüber beugt sich die dritte rücklings über den See, die Händen an der Leiter. Hängen.
Eine Frau streckt sich mit dem Oberkörper zwischen der Leiter durch über das Wasser. Wieder eine Frau allein auf dem Floss.
Jetzt liegen zwei auf dem Rücken, jede neben einer Leiter. Eine dritte kniet am Flossrand den Kopf nach unten, die Hände über das Wasser.
Nun liegen alle drei auf dem Bauch auf der linken Seite der Leiter. Kopf und Hände hängen nah zum Wasser. Das Floss wird zur schiefen Ebene.
Haltungswechsel. Alle drei sitzen auf der linken Seite der Leiter mit dem Rücken zum Wasser. Das Wasser ist ruhig.
Nahaufnahme. Die Gesichter werden erkennbar. Mit ausgestreckten Armen auf dem Bauch liegend, Brust und Kopf stolz in die Höhe gestreckt. Ihre Blicke abermals am Fotografen vorbei in die Weite.
Zwei sitzen zwischen den Griffen der Leiter, den Kopf in den Nacken gelegt, den Blick gen Himmel gerichtet. Die dritte mit dem Rücken zu mir am Flossrand.
Jetzt mit etwas Kontext. In der Bildmitte das Floss mit den drei Frauen. Am oberen Bildrand ein vertäutes Segelboot, davor ein wegfahrendes Tretboot und eine Tonnenboje. Sofort taucht ein warmes Sonnenblumengelb in meinem Kopf auf. Zwei Frauen sitzen zwischen den beiden Leitern eine am Rand mit Blick auf den See, mir den Rücken zugewandt.
Die ganze Performance dauerte 30 Minuten, entnehme ich der Legende. Eine Beschreibung gibt es nicht. Der Titel „Drei Frauen im See“ oder „Wenn die Möven das Floss verlassen“ sagt wenig.
Die Haltungen sind natürlich und klar. Die Bildstimmungen wirken ruhig und konzentriert. Wie waren die Übergänge der Posen von einer Aufnahme zur nächsten? Haben sich ihre Blicke nie getroffen? In welchem Rhythmus bewegten sich die Performerinnen? Der Film entstehen im Kopf der Betrachter:in.
Sanft wiegt es mich hin und her, ich rieche das Wasser.
Regula Michell, 24. und 30. Juli 2024
d aus: Sammlung Revolving Histories (#bangbang-0748)
https://mediathek.hgk.fhnw.ch/amp/detail/bangbang-0748