Mirjam Bayerdörfer: verwegene Teilchen
Mirjam Bayerdörfer schreibt nach der Performance «Verwegene Teilchen» von Lara Russi und Ida Dober am Freitag/Samstag 20/21.05.2022 anlässlich des Festivals Liturgie & Poesie in der Wasserkirche Zürich.
d Flyer
Mein erster Gedanke ist: Eine Flächenvermessung der Luft. Mein zweiter: Eine Verkehrskadettinnen-Schulung.
In weinroten Uniformen, es könnten auch Raum- oder Space-Konditorinnen-Jacken sein, teilen Lara Russi und Ida Dober die Luft um sie herum. Sie weisen irgendetwas Ungesehenem den Weg, sie bahnen etwas Unbemerktem eine Schneise. Wie am Central in Zürich zu Hauptverkehrszeiten, wenn ein uniformierter Mensch aus leicht erhöhtem Standpunkt den Verkehrströmen den Weg weist; sie kanalisiert, durchwinkt, anhält, umlenkt. Ida Dober und Lara Russi haben keinen erhöhten Standpunkt. Sie sind ebenso wie die Besucher:innen die Stufen hinabgestiegen in die Wasserkirche (ein Highlight, wann führen Stufen hinunter in ein rituell wichtiges Gebäude oder an einen Ausstellungsort!). Auf dieser abgesenkten Ebene bewegen sie sich, in den Händen Couverts aus Graukarton (vermutlich B3); sie dienen als Vermessungs- und Lenk-Werkzeuge. Später kommt Sprache dazu: wie geheime Nachrichten fallen Begriffe auf durchscheinendem Pergament-Papier (vermutlich A5) aus den Couverts und mischen sich mit den bereits am Boden liegenden. Die Verkehrskadettinnen werden zu Laubbläserinnen, die in einer Art Schneekugel inmitten des Pergament-Begriff-Schnees einen Tanz aufführen. Später erhält der Begriff-Schnee eine Stimme; ein liturgischer Singsang breitet sich im Raum aus – Laute im Loop fallen, recht unbeschwert, wie ihre pergamentenen Träger.
A–A-–A-–A–AA–AAA
ein grosser schöner Kofferwas hinein
die Zeit die Zeit
vier zehn vier zehn vier zehnEsel
ebensosehr
wäre wäre wäre
Es scheint, als wäre die ganze begriffliche Bedeutungsschwere zu Beginn hinausgelenkt und weggewedelt worden, mit den A3 Graukarton Couverts.