Lea Rüegg, Jemima Läubli, Mo Iseli:Wege in die Wildnis
Lea Rüegg, Jemima Läubli, Mo Iseli schreiben gemeinsam über die Performance «Die schwebenden Schwergewichte» von Muda Mathis und Chris Regn vom Sonntag, 20.10.2013 anlässlich der Ausstellung «Chris Regn: Die heilige Christine und andere Frauen die sich weggeworfen haben» im Kaskadenkondensator Basel.
Ausstellung
«Die heilige Christine und andere Frauen die sich weggeworfen haben» ist eine Einzelausstellung von Chris Regn, in 14 Zusammenarbeiten mit Annekäthi Wehrli, Ewjenia Tsanana, Lena Eriksson, Evi, Nic & C, Barabara Naegelin, Sabian Baum, Roland Frei, Martina Gmür, Judith Dobler, Birgit Kempker, Iris Baumann, Fränzi Madörin, Sarah Elan Müller, Muda Mathis und Sus Zwick, kuratiert von Monika Diller, begleitet von Andrea Saemann.
Die Wahl der Medien in der Ausstellung ist sehr frei. Es gibt Zeichnungen, Text, Audio, Video, 3D Arbeiten und Performances.
Die Haltung gegenüber den gebrauchten Medien scheint steht’s eine leicht dilettantische zu sein. Eben diese Haltung aber verleiht den Arbeiten etwas angenehm Leichtes. Jede Arbeit ist auf ihre Art spielerisch und zeigt kindliche Neugierde und die Lust am Ausprobieren. Ihre Schafferinnen scheinen nicht verlernt zu haben, was für Kinder selbstverständlich ist: zusammen spielen. Das scheint auch der zentrale Punkt der Ausstellung zu sein, die Zusammenarbeit.
Obwohl sich die Arbeiten vieler verschiedener Medien bedienen, haben sie doch alle auch etwas Performatives und unserer Meinung nach etwas Integratives. So werden die Zuschauer beispielsweise eingeladen, an zwei Teekrügen zu lauschen, ein sehr grosses Büchlein durch zu blättern oder sich auf ein Knochenkissen zu setzen und mit Kopfhörern einer Geschichte zuzuhören. Die Zuschauer werden also ebenfalls zum Spiel eingeladen und Mann / Frau spielt gerne mit.
Performance
Die beiden Performerinnen Muda Mathis und Chris Regn erklären zu Beginn, dass es sich bei ihrem Stück «Schwebende Schwergewichter» um eine Lecture Performance handelt. Dem Thema Tanz haben sie sich in Form von Recherche angenähert, da das tänzerische Element doch sehr anspruchsvoll sei. Literaturreferenzen sind Mary Wigman und Yvonne Rainer.
Während auf einer weissen Wand eine Projektion von einem Pflanzentopf auf einem Pfeiler im Wasser gezeigt wird, listen die beiden mit Sprechgesang abwechslungsweise relevante Merkmale und historische Begebenheiten, sowie auch Gerüchte über den Ort Gottlieben auf. Erwähnt wird dabei etwa, dass der Ort Künstler Kolonie war und die Burg Konzil von Konstanz. Dabei wird auch ein Hotel vorgestellt, in welchem sie zu einem späteren Zeitpunkt ihre Performance aufführen werden. Hervorgehoben wird dabei die geblümte, indische Tapete im Saal, welche auch Inspirationsquelle für die Performerinnen war. Einige Bilder davon werden gezeigt. An der Technik sitzt Sus Zwick.
Während Chris nun im nächsten Teil über die Recherche zu Tanz und Bewegung erzählt, zieht sich Muda hinter einem von hinten beleuchteten Paravent um. Derweil werden Bilder von ihr gezeigt, in denen sie in verschiedenen tänzerischen Positionen zu sehen ist.
Muda tritt nun in einem engen schwarzen Kleid auf. Sie beginnt zu singen: «Ich könnte weinen wie ein Wasserfall, weil ich Dilettantin bin». Chris stimmt mit ein. Das Publikum lacht.
Die beiden Performerinnen zeigen nun ihre tänzerische Annäherung an das Thema des Tanzes, indem sie verschiedene Formen des Gehens beschreiben und vorzeigen. Zuerst wird der Storchenschritt, dann das einfache Gehen und anschliessend das Gehen mit Abfedern vorgestellt.
Sie beschreiben drei Formen der Bewegung:– Der Fluss– Der Impuls / die Dynamik– Die Ruhe
Anschliessend wird der Blick nach Innen und der nach Aussen erklärt. Zuerst beschreibend, mit Projektionen an der Wand und dann auch von Chris und Muda vordemonstriert. Dabei stehen sie beispielsweise voreinander und schauen sich an, drehen sich dann langsam um und schauen mit weit geöffneten Augen ins Publikum. Auch symbolische und nicht symbolische Darstellungen werden demonstriert.
Der Tanz in Form von Ritualen, zur Heilung, für Innenschau, zum körperlichen Weiterkommen wird als Nächstes thematisiert. Weitere Bilder folgen auf der Projektionswand. Es sind einige Fotografien von Laban und seiner Tanztruppe zu sehen. Vermutlich sind darunter auch Bilder von Labans Zeit auf dem Monte Verità im Tessin.
Chris erzählt nun notizenlos über die Geschichte des Tanzes. Haften bleiben dabei die wellenartigen Tanzbewegungen griechischer Tänzerinnen und Tänzer und die geometrisch abstrakten Bewegungen des Bauhauses, die beide von Muda in passender Kleidung, sprich einmal in weißem Unterhemd und weißem Tuch und das andere Mal in langem Kleid mit kubistischem Muster demonstriert werden.
Anschließend gibt Muda Chris Anweisungen nach Vorgabe eines Bildes, so dass Chris schlussendlich in gleicher Pose dasteht, wie der Tänzer auf einer gezeigten Photographie. In gleicher Weise werden daraufhin kurze Stop-Motion-Filme gezeigt, worin die verschiedenen Frauen, mit welchen Chris zusammengearbeitet hatte, sich bewegen und erste Tanzversuche unternehmen nach Vorlage einer Photographie, die zum Schlussbild in den Filmen wird.
Aber nicht nur Bilder sind Bewegungsinspiration, sondern auch ein Text aus einem Buch, den Muda zusammen mit einer Matratze umsetzt.
Zum Schluss wird der Begriff des Tanz-Ensembles wichtig. Durch gegenseitiges Vorzeigen und Mitmachen entsteht ein Repertoire an Bewegungen, welches immer wieder wiederholt und unter Zuhilfenahme von Personen aus dem Publikum zu einem Gruppentanz wird.
Auf vielfältigste Art und Weise, in Absätzen und doch als ganzen Fluss, konnten wir Zuschauerinnen und Zuschauer aus dieser Tanzperformance eine Unmenge an Informationen und Bildern rund um und über den Tanz auf- und mitnehmen. Die Performance zeigte neben der Fülle an Informationen über das Thema Tanz viel Humoristisches. Die Aktivierung von Hirnzellen ging einher mit der Aktivierung der Lachmuskulatur. Eine wahrhaft gelungene Darbietung.
Die Peformance «Die schwebenden Schwergewichte» ist ein Nachdenken darüber, wie ein Tanzstück gemacht werden könnte. Eine Präsentation einer Recherche kann wahnsinnig langweilig sein, nicht aber bei Chris Regn und Muda Mathis. Sie haben eben nicht nur mit dem Kopf nachgedacht, sondern mit ihren ganzen Körpern.
Wo also fängt Tanz an und wo hört er auf?Egal! Hauptsache du hast keine Tanzangst!