Ursula Scherrer:
The Bellino
Ursula Scherrer schreibt anlässlich von «Resonanz in Sprache» über die Performance «The Bellino» von Gabriel Forster, welche 1989 im Dachstockatelier Haus Kunsthalle Wassergasse in St.Gallen aufgeführt wurde.
[gabriel]
7/89
Das war vor der Mauer, sollte die 7 für den Monat stehen.
Einen Text schreiben zu fast gar nichts was einmal etwas war. The bellino.
Zwei Doppelseiten mit je zwei Kopien mit starkem Kontrast.
Die Beschreibung des Fotos von links nach rechts.
Vor schwarzem Hintergrund streckt sich von links eine Bürolampe, wie sie mein Vater auch hatte, ins Bild.
Rechts daneben ein Mensch oder eine Menschin, die breitbeinig auf etwas sitzt. Ich sehe einen Wolf auf dem die Figur reitet, die Füsse scheinen weg vom Boden zu sein. Unter der Schnauze ein runder Gegenstand, ein rundes Gefäss, vielleicht eine Pfanne mit einem Gemüsedämpfsieb, leicht verschoben, oben drauf.
Vielleicht ist es auch eine Salatschleuder. Oder etwas ganz anderes.
Daneben, auf der rechten Seite der Doppelseite, ein noch unerkennbarerer Gegenstand. Rund. Vielleicht eine Art UFO. Oder eine Kapsel mit Hebel. Daneben noch weiter rechts, nur halb im Bild, eine rechteckige Plastikzaine. Mit Zeugs drin.
Oberhalb dieser zwei Gegenstände, von Hand geschrieben, folgendes:
The bellino nächste Zeile
Haus nächste Zeile
Kunsthalle nächste Zeile
Dachstock nächste Zeile
St. Gallen
daneben
7/89
Die zweite Doppelseite
links
Der Kopf von Nofretete im Profil auf dunklem Hintergrund und hellem rundem Rahmen.
Das Kinn ragt in die Höhe, die kleine Nase mehr Haken als Nase, ein elegant geschwungener langer Hals, der Hinterkopf zylinderhaft.
Unten im Rahmen ein kleiner Hügel ohne Sinn.
Unten rechts, den Rahmen leicht überschneidend, ein überbelichteter Gegenstand der ein Samowar mit weiten Beinen sein könnte.
Die Fotokopie rechts scheint dasselbe oder könnte dasselbe Foto wie auf der ersten Doppelseite sein, doch klarer.
Jetzt erkenne ich, dass es sehr sicher eine Frau ist, die auf dem, was vorher in meinen Augen Wolf war, jetzt ein Fass ist, reitet. Sie ist barfuss, den Kopf leicht nach links geneigt, den Blick nach unten, die Hände zwischen den Beinen. Über das Fass ist eine Art Tischtuch gelegt. Unten am Fass ein schwarzer Punkt, der ein Ausfluss sein könnte, darunter ein Becken um die Flüssigkeit aufzufangen. Doch vielleicht reime ich mir das alles zusammen. Es könnte auch ein Jüngling sein.
So ist es einen Text zu schreiben zu fast gar nichts was einmal etwas war.
Auch die Autorschaft gibt wenig Auskunft oder Hinweis. In eckigen Klammern steht gabriel mit kleinem g.
Oder geht es um den Engel Gabriel?
d aus: Sammlung Revolving Histories (#bangbang-0881)